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Die zehn Magdeburger Bildungsthesen

1. Bildung ist keine Frage des Geldes

Die herrschende Bildungspolitik tut so, als bestünde die allenthalben wahrnehmbare Krise des Bildungssystems in einer materiellen Unterversorgung und als läge die Lösung deshalb in einem Mehr von Allem: mehr Lehrer, mehr Geld, mehr digitales Gerät. Dies ist ein Irrglaube. Der Krise unseres Bildungssystems liegt in erster Linie eine geistige Krise zu Grunde. Mehr Geld bringt in dieser Situation keine Lösung.

2. Bildung ist Freiheit

Vor über zweihundert Jahren formulierte Wilhelm von Humboldt den Grundsatz, dass umfassende Bildung unverzichtbar sei für die Selbstverwirklichung des Bürgers. Humboldt meinte damit auch die berufliche Ausbildung, aber darüber hinaus noch viel mehr: Nur derjenige, der etwas weiß und Zusammenhänge versteht, kann Entwicklungen beurteilen und verantwortungsvoll mitentscheiden, wie es weitergehen soll. Wer nichts weiß, muss alles glauben. Gegen diese Blindheit und Manipulierbarkeit hilft nur eines: wirkliche Bildung.

3. Bildung muss sich lohnen

Die deutsche Kultur hat stets das, was erarbeitet und bedacht wurde, aufgegriffen und überprüft. Was überholt war, hat sie verworfen; was Bestand hatte, hat sie weiterentwickelt oder fortgesetzt. Das Bildungsversprechen lautet bis heute: Wer sich einarbeitet, die Zusammenhänge begreift und weiterdenkt, wer also wirklich etwas weiß und kann, soll sich in Deutschland ein sinnvolles Leben in Wohlstand aufbauen können. Bildung muss sich lohnen.

4. Bildung fußt auf Bewährtem

Echte Bildung verträgt sich nicht mit methodischem Chaos, mit Bildungsexperimenten, mit einem ständigen Wechsel von Lernmethoden, Fächerinhalten und Schulformen. Man muss die Bildung in unserem Land nicht neu erfinden, sondern das fortsetzen, was sich bewährte und das einbinden, was sich an gutem Neuem bietet. Es sind die „Stillen im Lande“, die unsere ausdifferenzierte Wirtschaft am Laufen halten und unser unvorstellbar reiches kulturelles Erbe pflegen und lebendig halten. Mit ihrer Arbeit und ihrem Bildungsanspruch steht und fällt das normale Leben in unserem Land.

5. Bildung ist Charakterbildung

Unabdingbar für den Weltruf der deutschen Bildungsnation waren (und sind) Gründlichkeit, Anstrengungs- und Leistungsbereitschaft, Fleiß, echtes Können und der sogenannte „Zug nach oben“, also die Bemühung, das, was man tut, so gut wie möglich zu tun. Bildung war in unserem Land eben immer auch Charakterbildung. Die aktuell in der Pädagogik vorherrschenden Vorstellungen von Individualität und „Selbstbestimmung“ sind das genaue Gegenteil von Charakterbildung.

6. Digitalunterricht bedeutet: alleingelassen

Die Charakterbildung erfolgt unter anderem durch das Vorbild der Lehrer und ihre motivierende und kontrollierende Präsenz. Der Digitalunterricht hat nicht nur diesen entscheidenden Zusammenhang zerschnitten: Die Präsenz des erklärenden Lehrers verkürzt und intensiviert zugleich den Vorgang des Wissenserwerbs und der Bildungsarbeit. „Allein zu Hause“ ist für die meisten Schüler eine Überforderung. Sie untergräbt aber auch die Berufszufriedenheit der Lehrer.

7. Geschlossene Schulen bedeuten: Strukturverlust

Der derzeitige Digitalunterricht bürdet den Schülern nicht nur Leistungen auf, die normalerweise die Lehrer zu erbringen hätten. Er verschleißt darüber hinaus dadurch viel Zeit und Energie, dass seine Strukturen chaotisch sind und die zwischengeschalteten technischen Geräte ein großes Ablenkungspotential mit sich bringen. Der Rhythmus von Anspannung und Entspannung wird zerstört, chronische Überforderungs- und Erschöpfungszustände sind die Folge. Diese Strukturlosigkeit überträgt sich auf den Arbeitsalltag der Eltern, die oft als Ersatzlehrer einspringen müssen, obwohl sie dafür nicht ausgebildet sind.

8. Bedeutungsverlust von Bildung und Schule in „Corona-Zeiten“

Die (unausgesprochene) Botschaft an die Schüler lautet: Bildung und Leistungsbereitschaft erscheinen neben dem Auftrag „gesund zu bleiben“ als zweit- und drittrangig. Die Corona-Schulzeit wird sich aus zwei Gründen generationenprägend auswirken: zum einen ist der Schulstoff an keiner Schule auch nur annähernd bewältigt, also verinnerlicht worden; zum andern (und das wiegt noch schwerer) ist einem Teil der Schüler das Bewusstsein für die Bedeutung von Wissen und Bildung, Lernen und Arbeiten abhandengekommen. Wir lehnen die Absage von Präsenzunterricht und eine Corona-Testpflicht für symptomfreie Kinder ab.

9. Die Schere zwischen leistungsstarken und leistungsschwachen Schülern öffnet sich

Für viele Schüler aus schlecht funktionierenden Familien sind die Auswirkungen des fehlenden Präsenzunterrichts in der Schule besonders verheerend: Für sie war die Schule nicht selten der einzige Ort, an dem ein warmes Mittagessen eingenommen werden konnte, eine persönliche Ansprache erlebt wurde und der Tag eine Struktur bekam. Wer selbst zurechtkommen soll, zuhause aber die technischen und sozialen Voraussetzungen dafür nicht geboten bekommt, lässt nach und gibt auf.

10. Die Krise zur Chance machen – Neubesinnung auf den Wert von Bildung

Die Corona-Maßnahmen haben zu einer Goldgräberstimmung unter denjenigen geführt, die längst aus politischen Gründen und aus Profilierungssucht Neuerfindungen an die Stelle des Bewährten setzen wollen. Deren Experimentierfreude geht auf Kosten der Schüler, ihrer Bildung und ihrer charakterlichen Entwicklung. Die Corona-Politik treibt die seit Jahrzehnten falsch angelegte Bildungspolitik auf die Spitze. Deutschland braucht eine Neubesinnung auf den Wert wirklicher Bildung für den Einzelnen und die Gemeinschaft.

Die zehn Magdeburger Bildungsthesen als PDF-Dokument.