Unter dem Motto „Blockieren? Ignorieren? Debattieren? Zum Umgang mit dem Rechtspopulismus“ fand gestern in der Kathedral- und Propsteigemeinde St. Sebastian in Magdeburg eine Podiumsdiskussion statt. Eigentlich sollte sie die aufgeregten Debatten um den abgesagten „Politischen Salon“ im Dezember am Magdeburger Theater und die verhinderte Vortragsveranstaltung an der Magdeburger Universität im Januar zu „versachlichen“ helfen, wie es hieß. Zur Erinnerung: Beim ersten verbot Ministerpräsident Haseloff Innenminister Stahlknecht die Teilnahme, weil der mit Götz Kubitschek diskutieren wollte. Bei der zweiten bedrohten gewalttätige Linksaktivisten die eingeladenen Redner: den Neurobiologen Gerald Wolf sowie AfD-Fraktionsvorsitzenden André Poggenburg.
Wohl um prinzipielle Diskussionsbereitschaft zu signalisieren, hatte die gestern von der Landeszentrale für Politische Bildung Sachsen-Anhalt ausgerichtete Veranstaltung Fragen aufgeworfen, die zunächst aufhorchen ließen: Ob es zielführend sei, andere Meinungen aus dem eigenen gesellschaftspolitischen Diskurs auszugrenzen? Und: Ob eine Gesellschaft den Gürtel, des Denk- und Diskutierbaren immer enger schnallen dürfe?
Doch sehr schnell wurde klar, dass die Podiumsgäste diese Fragen entweder nicht unvoreingenommen diskutieren wollten oder konnten: Prof. Dr. Werner Patzelt, Politikwissenschaftler von der TU-Dresden identifizierte „Rechtspopulismus“ sogleich als „Feind“, den es – wenn auch argumentativ – zu stellen, vorzuführen und zu besiegen gelte. Dabei blieb er zwar eine Definition schuldig, was genau unter Populismus zu verstehen sei. Doch das spielte keine Rolle. Stefan Kuzmany, Leiter von Meinung und Debatte bei Spiegel Online gab Einblicke in die heutige Praxis von Journalisten, die, wie im Falle der „Höcke“-Rede, Inhalte zuspitzen und skandalisieren würden; und Thomas Krüger (SPD), Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung empfahl, in der Aufklärungsarbeit die emotionale Dimension nicht zu vernachlässigen, weil dies heute mehr Menschen erreiche, wie er sagte.
So war es nichts mit einer Diskussion auf Grundlage rationaler Argumente. So gab es keine Antwort auf die Frage, ob Ausgrenzung und Redeverbote einer Demokratie tatsächlich gut zu Gesicht stünden. So war die Front eröffnet. Anetta Kahane zu DDR-Zeiten inoffizielle Mitarbeiterin der Staatssicherheit und heutige Vorstandsvorsitzende der umstrittenen Amadeu-Antonio-Stiftung hatte daher keine Mühe, diffamierende Angriffe zu starten: Es gebe, so sagte sie, rechtsextreme Verhaltensmuster, die bis weit in die Mitte der Gesellschaft hineinreichen und sich heute unter Wählern und Anhängern der sogenannten Rechtspopulisten finden würden – also bei Pegida und der AfD. Das wirkte wie ein Stichwort.
Es sei unvorstellbar, wetterte Landtagsabgeordnete der LINKEN Wulf Gallert nach dem die Zuschauer sich zu Wort melden durften, dass man im Landtag von Sachsen-Anhalt in diesem Jahr aus „Mein Kampf“ zitiert habe – und spielte auf die Rede von AfD-Fraktionsvorsitzender André Poggenburg an, der in einer Rede linksextremistische Gewalttäter als „Wucherungen am deutschen Volkskörper“ bezeichnet hatte. Es sei unerklärlich, dass ein Herr Poggenburg daraufhin noch zwei weitere Male im Parlament habe sprechen können, sekundierte ihm jemand aus dem Publikum. Tosender Applaus erhob sich.
Da trat Oliver Kirchner, stellvertretender AfD-Fraktionsvorsitzender ans Mikrofon. Deutscher Volkskörper sei keine Nazi-Sprache, schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts habe man dieses Wort verwendet, sagt er und dass es die Geschäftsordnung des Landtags vorsehe, in Debatten zweimal das Wort zu ergreifen. Er verwies auf die Ausschreitungen an der Magdeburger Universität. „Wir müssen nicht nur dem Rechtsextremismus die rote Karte zeigen“, sagte Kirchner, „sondern auch Linksextremismus und religiösem Extremismus.“ Das Publikum höhnte. „Mit wem sollen wir eigentlich reden!?“, fragte drohend eine Zuhörerin mit Blick auf ihr benachbartes Wohnviertel, wo es viele AfD-Wähler gebe. „Ausreden lassen müsse man die von der AfD“, giftete ein junger Mann, „und dann: vorführen, lächerlich machen.“ Das hatte Patzelt empfohlen. Doch an diesem Abend gelang es nicht. „Sie haben jetzt ihre Sicht auf die Dinge dargelegt“, sagte der Bundeszentralenvorsitzende am Ende zu Kirchner, „und es hat sich Widerspruch geregt: Das ist gut so!“ Kirchner schüttelte da nur mit dem Kopf. „Die wissen gar nicht mehr, was eine Diskussion ist“, sagte er beim Rausgehen. Ein AfD-Sympathisant nickte ihm zu und brachte es auf den Punkt: „Das sind eben Linke unter sich.“