Zum Inhalt springen

Neuer Skandal um Beraterverträge droht: Umweltministerium in Erklärungsnot

Farle: Sollte sich der Verdacht erhärten, muss Ministerin Dalbert gehen!

In der 89. Sitzung des Finanzausschusses des Landtages von Sachsen-Anhalt am vergangenen Mittwoch, den 27.05.2020, wurde auf Grundlage eines Selbstbefassungsantrages einiger CDU-Abgeordnete die Vergabe eines Beratervertrags durch das Landesamt für Umweltschutz (LAU) behandelt. Während der Ausschussberatung kamen fragwürdige Umstände ans Licht, die darauf hindeuten, dass die Beratervertragsvergabe mit dem Titel „Erstellung eines Monitorings für das Klima- und Energiekonzept: Bewertung von Treibhausgasminderungen“ (KEK-Monitoring) möglicherweise nicht mit rechten Dingen abgelaufen ist. Der Ausgangspunkt für den Antrag auf Selbstbefassung war der Umstand, dass das LAU den Beratervertrag mit einem Auftragsvolumen von 383.556,50 Euro in Auftrag gab, ohne vorher die Zustimmung des Finanzausschusses einzuholen. Auch wurde nach der erfolgten Vergabe weder im Finanzausschuss noch in einem sonstigen Ausschuss darüber berichtet.

In der Finanzausschusssitzung wurde teils hitzig diskutiert, ob das Umweltministerium bei der Auftragsvergabe gegen den Transparenzbeschluss des Landtags (Drs. 4/51/1956 B vom 16.12.2004, LT-Drs. 7/322 vom 01.09.2016) verstoßen hat. Dieser Transparenzbeschluss fasste der Landtag in Folge des Untersuchungsausschusses um Beraterleistungen im Jahr 2004. Nach diesem ist die Landesregierung aufgefordert, vor dem Abschluss von Beraterverträgen mit einem Auftragsvolumen von mehr als 20.000 Euro diese dem Ausschuss für Finanzen vorzulegen und dessen Zustimmung einzuholen. Damit sollte künftig dem Missbrauch Einhalt geboten werden. Der Transparenzbeschluss enthält allerdings die Einschränkung, dass die Vorlage und die Zustimmung des Finanzausschusses nicht notwendig ist, „wenn die entsprechenden Mittel im Haushaltsplan veranschlagt und über die Erläuterungen ausgewiesen sind.“

Auf diesen Passus des Transparenzbeschlusses verwies auch der Vertreter des Umweltministeriums in der Finanzausschusssitzung und begründete damit, weshalb das Umweltministerium auf die sozusagen erneute Einholung der Zustimmung des Finanzausschusses verzichtete. Denn tatsächlich findet sich im Haushaltsplan 2019 (EP 15 – Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie, Kapitel 15 02 – Allgemeine Bewilligungen, Titel 533 71 – Dienstleistungen Außenstehender) folgende mit Spiegelstrich angeführte  Erläuterung: „– die Vergabe von Leistungen zum Aufbau eines Monitorings für das Klima- und Energiekonzept sowie zur Aktualisierung der Klimafolgestudie“.

Der Vertreter des Umweltministeriums referierte: „Es kann ein eindeutiger Bezug zwischen Erläuterung und Vorhaben hergestellt werden. Eine (erneute) Beteiligung der Ausschüsse des Landtags war somit entbehrlich.“ Des Weiteren wurde auf einen Sachbearbeiter verwiesen, der den Sachverhalt bewertet habe und zu diesem Ergebnis gekommen sei.

Der Knackpunkt ist allerdings: Unter demselben oben erwähnten Haushaltstitel finden sich jedoch neben dem bereits erwähnten Spiegelstrich noch drei weitere Spiegelstriche mit ebenso umfangreichen Maßnahmenbündeln. Eine betragsmäßige Zuordnung des Haushaltsansatzes des Titels 533 71 zu den einzelnen Maßnahmenbündeln ist also nicht in den Erläuterungen enthalten. Ob der Transparenzbeschluss somit korrekt ausgelegt wurde, konnte im Ausschuss nicht abschließend geklärt werden.

Die Frage ist jedoch, wenn sich das Umweltministerium an dieser Stelle so sicher gewesen ist, weshalb in der Ausschreibung des KEK-Monitorings (online zugänglich, Referenznummer der Bekanntmachung: 33.1-44761-01-2020) dann folgender Passus zu finden ist: „Hinweis: Ferner sind die Zustimmung von Staatssekretärskonferenz und Finanzausschuss des Landes Sachsen-Anhalt erforderlich. Im jeweils unwahrscheinlichen Fall kann es daher zur Aufhebung des Ausschreibungsverfahrens oder einer Verlängerung der Bindefrist kommen.“

Des Weiteren erfolgte die Ausschreibung über das Landesamt für Umweltschutz (LAU). Das LAU hat im EP 15 aber ein eigenes Kapitel: 15 04 – Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt. Die Haushaltsmittel stehen aber im Kapitel 15 02 – Allgemeine Bewilligungen des Umweltministeriums. Es entsteht der Eindruck, das Ministerium wollte an der Ausschreibung möglichst nicht direkt beteiligt sein.

Der finanzpolitische Sprecher der AfD-Landtagsfraktion, Robert Farle, sagte dazu: „Die fadenscheinige Argumentation des Umweltministeriums provoziert die Mitglieder des Finanzausschusses geradezu anzunehmen, dass bei der Vergabe des KEK-Monitorings etwas faul ist. Der aktuelle Fall muss im Kontext der korrumpierten Auftragsvergaben in Sachsen-Anhalt der Vergangenheit bewertet werden. Im Herbst 2016 musste der SPD-Wirtschaftsminister Jörg Felgner zurücktreten, weil er erhebliche Summen für Auftragsgutachten am Landtag vorbei vergeben ließ. Der Landtag setzte daraufhin auf Antrag der AfD einen Untersuchungsausschuss ein. Ich erinnere mich noch sehr gut an die damals geführte Debatte im Finanzausschuss. Deshalb bin ich sehr erstaunt, dass das Umweltministerium heute genauso argumentiert wie Herr Felgner im Jahre 2016. Herr Felgner verwies damals ebenfalls auf den entsprechenden Passus des Transparenzbeschlusses. Und schon damals wurde auch von Seiten des Landesrechnungshofes klargestellt, dass eine bloße Erwähnung in den Erläuterungen unter dem Haushaltstitel nicht ausreichend ist, wenn nicht gleichzeitig daraus hervorgeht, wie viel Geld für eine Maßnahme konkret vorgesehen ist. Das entspricht meinem Empfinden nach auch dem Wortlaut des Transparenzbeschlusses. Eine bereits erfolgte Zustimmung des Finanzausschusses kann ja nur dann gegeben sein, wenn die Mitglieder des Finanzausschusses bei der Haushaltsaufstellung auch wissen, in welcher Höhe Finanzmittel einer konkreten Maßnahme zugeordnet sind. Das war im Falle des Monitorings eindeutig nicht der Fall. Denn weder in den Haushaltsberatungen für den Haushalt 2019, noch in den Beratungen für den Doppelhaushalt 2020/2021 wurde die Vergabe des Monitorings angesprochen. Die Ausschussmitglieder wurden also zu keiner Zeit über die geplanten wie auch die tatsächlichen Kosten der Vergabe informiert. Nicht einmal nachträglich, als die Vergabe bereits gelaufen war. Ob gegen den Transparenzbeschluss des Landtags verstoßen wurde, muss jetzt natürlich juristisch geprüft werden. Ich kann aber nicht erkennen, warum die juristische Bewertung heute anders ausfallen sollte. Auf der anderen Seite steht die politische Bewertung des Vorgangs. Wenn sich die Vorwürfe erhärten, droht schon kurz nach Abschluss des letzten Untersuchungsausschusses zu Beraterverträgen eine Neuauflage. Der Vertrauensverlust wäre immens und ist den Menschen nicht mehr vermittelbar.“

Neben dem Komplex um den eventuellen Verstoß gegen den Transparenzbeschluss deutet sich an, dass bald noch wesentlich tiefgreifendere Sachverhalte ans Licht kommen könnten. Es liegt ein zusammengefasstes Ergebnisprotokoll von zwei Schulungstagen am 03.12.2019 und 05.12.2019 mit der Überschrift „Schulungen zum Klima- und Energiekonzept – Monitoring der Maßnahmen“ vor. Geschult wurden der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft und das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration. Begonnen wurde mit einer „Begrüßung und Einführung in die Genese des KEK“ gefolgt von einem „Inputvortrag Monitoringkonzept“.

Das Schulungsprogramm gleicht einem Teil der Ausschreibung des KEK-Monitorings: „— weitere Workshops zur Abstimmung von Indikatoren und Bewertungsmethoden. Dabei kann auch davon ausgegangen werden, dass z. T. 2 Termine an einem Tag bzw. Termine an 2 aufeinanderfolgenden Tagen stattfinden können (Angabe je Schulungstag. Als Richtwert ist davon auszugehen, dass vonseiten des Auftragnehmers die Teilnahme zweier Personen (z. B. Moderation und Dokumentation/inhaltliche Expertise und Präsentation) erforderlich ist.).

An den beiden Schulungstagen im Dezember 2019 waren Frau Richwien von der IFOK GmbH und Herr Ebert von IE Leipzig anwesend. Sie leiteten den ersten Programmpunkt der Schulung. Beide Personen sind Vertreter jener Institutionen, die im März 2020 den Zuschlag für die Durchführung des KEK-Monitorings bekommen haben. Der Zuschlag ging an ein Konsortium bestehend aus dem Leipziger Institut für Energie GmbH (IE), der IFOK GmbH und dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung.

Aber nicht nur das: Im Klima- und Energiekonzept Sachsen-Anhalt (KEK) vom Februar 2019 heißt es unter Punkt 6 auf Seite 203: „Das wissenschaftlich fundierte Monitoring soll im Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie durch einen wissenschaftlichen Beirat unterstützt werden. Dieser soll gewährleisten, dass durch wissenschaftliche Expertise die Zielerreichung weiterverfolgt und die Maßnahmen kontinuierlich dem Stand der Technik angepasst werden.“ Und weiter: „Darüber hinaus muss auf Verwaltungsebene ein Monitoring-System, zum Beispiel über eine ‚Interministerielle Arbeitsgruppe Klimaschutz‘ geschaffen werden, durch die Umsetzung der im Klima- und Energiekonzept enthaltenen Maßnahmen begleitet und die Auswirkungen bzw. die Einsparungen von THG-Emissionen ermittelt werden. Die Landesenergieagentur Sachsen-Anhalt GmbH soll die Beobachtung der THG-Entwicklung im Land über geeignete Indikatoren im Rahmen des Monitorings übernehmen, sofern die finanziellen Voraussetzungen dafür vorliegen.“

Dieser wissenschaftliche Beirat wurde mit Mitgliedern besetzt, die bereits an der Erarbeitung des KEK mitgewirkt haben. So beispielsweise auch Frau Martina Richwien von der IFOK GmbH und Herr Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Die Berufung der Beiratsmitglieder erfolgte direkt durch Umweltministerin Frau Dalbert.

Der finanzpolitische Sprecher der AfD-Landtagsfraktion, Robert Farle, erklärte dazu abschließend: „Ich fordere eine schnelle und umfassende Aufklärung des Sachverhalts. Wenn Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats, die das Monitoring begleiten sollten, anschließend den Zuschlag der Ausschreibung erhalten, liegt der Verdacht nahe, dass die Ausschreibung nur pro forma durchgeführt wurde. Falls sich darüber hinaus erhärten sollte, dass mit dem KEK-Monitoring schon vor der Ausschreibung begonnen wurde und somit das Ausschreibungsergebnis vorher schon feststand, wäre das ein Skandal erster Güte und der Rücktritt von Umweltministerin Dalbert unvermeidlich.“